Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in der Region Trier hat sich 2014 leicht entspannt. Doch gerade für die anspruchsvollen gewerblich-technischen Berufe finden sich nur schwer Bewerber. Dabei sind die Karriereaussichten blendend.
Die Kamera schwenkt über Maare und Wälder, Felder und Bäche – und landet auf dem Firmengelände der Bilstein & Siekermann GmbH & Co. KG in Hillesheim. „Erkennen, was gut ist“ lautet die Überschrift des Imagefilms. Die Botschaft: Dass der weltweite Zulieferer für die Automobil- und Hydraulik-Industrie auf einem solch hohen Niveau produzieren kann, ist nur dank seiner engagierten und qualifizierten Mitarbeiter möglich.
Dass diese dem Hersteller von Verschlussschrauben, Dreh- und Kaltfließpressteilen, der bei den hochwertigen Verschlussschrauben gar zu den Marktführern zählt, nicht in Scharen zulaufen, hängt unter anderem mit dem Standort zusammen. Junge Menschen in der Eifel zu halten oder sie gar hierher zu locken, ist kein Leichtes. Und doch: „Wir jammern nicht gegen die Eifel, sondern nutzen sie“, sagt Geschäftsführer Bruno Hirtz. So betont das Unternehmen die Vorteile der Region und setzt bei der Auswahl von Auszubildenden in erster Linie auf junge Menschen, die von hier stammen und weiter hier leben wollen. Zu oft war früher die Einstellung an der mangelnden Begeisterung für ein Leben auf dem Land gescheitert.
AUSBILDUNG WIRD IMMER WICHTIGER
Das Ergebnis ist nun „null Fluktuation“, wie Hirtz sagt. Wer sich für Bilstein & Siekermann entscheidet, der bleibt meist. Trotzdem: „Wenn ich fünf bis zehn Jahre in die Zukunft blicke, kann auch uns der Fachkräftemangel treffen.“ Der Altersdurchschnitt im Unternehmen liege aktuell bei über 40 Jahren. „Ausbildung wird also immer wichtiger für uns.“
Das trifft auf zahlreiche Betriebe in der Region zu. Sie brauchen gute Mitarbeiter und wollen junge Menschen ausbilden, doch der Motor stottert. Die Verlockungen der Städte sind nur eine Facette des Fachkräftemangels. Vor allem der demografische Wandel macht den Unternehmen zu schaffen. Zudem hakt es oft bei der Berufsorientierung, der Reife sowie den Fähigkeiten der Schulabgänger, und, und, und.
Das Problem ist nicht neu, natürlich nicht. Seit 2009 geht die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bei den IHK-zugehörigen Betrieben in der Region zurück. Bis dahin war sie kontinuierlich angestiegen, von 2004 an um etwa ein Fünftel auf 5526. Jetzt liegt sie mit 5018 etwa auf dem Niveau von 2006.
Und doch gab es 2014 für die Unternehmen zwischen Saarburg und Daun auch eine gute Nachricht. In Industrie, Dienstleistung, Handel & Co. sind 1,2 Prozent mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als 2013 – insgesamt 1967. Dass die Gesamtmenge der Verträge dennoch gesunken ist, kann beispielsweise damit zusammenhängen, dass mehr zweijährige Berufe ausgebildet werden, erklärt Christian Reuter, Leiter des IHK-Prüfungsteams. Diese Auszubildenden fallen eben früher wieder aus der Statistik heraus. Gleiches gilt für die Abiturienten, die ihre Ausbildungszeit verkürzen.
STUDIUM: NICHT IMMER DIE RICHTIGE WAHL
Eine Kehrtwende ist damit aber nicht absehbar. Denn es gibt nicht nur immer weniger junge Menschen in Deutschland (die Zahl der Schulabgänger in Rheinland-Pfalz ist von 6591 im Jahr 2008 auf 5711 im vorigen Jahr gesunken). Sondern es zieht sie auch immer seltener in die duale Berufsausbildung, sondern an die Hochschulen und Universitäten.
Nicht immer mit Erfolg. Jeder dritte Bachelorstudent einer Universität bricht sein Studium ab. Etwas besser sieht es mit 23 Prozent an den Hochschulen aus. Das hat eine bundesweite Untersuchung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung mit Blick auf den Absolventenjahrgang 2012 ergeben. Besonders hoch ist die Abbrecherquote in den technischen Studiengängen. Im Bauingenieurwesen schafft es demnach beispielsweise nur jeder zweite Student bis zum Examen. Die meisten Abbrecher finden sich in der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften, am besten stehen die Rechts-/Wirtschafts- und Sozialwissenschaften da.
Zahlen für die Region Trier gibt es nicht. Aber schon die Tatsache, dass die Auszubildenden in den IHK-Berufen in der Tendenz immer älter werden, lässt darauf schließen, dass einige von ihnen zuvor ein Studium begonnen hatten, erklärt Reuter. So hat sich die Zahl der jungen Frauen und Männer verdoppelt, die bei Beginn der dualen Berufsausbildung älter als 24 Jahre sind. 2004 waren es noch 5,8 Prozent, 2014 dann 12 Prozent. Älter als 21 Jahre war vor zehn Jahren noch jeder fünfte neue Azubi; inzwischen ist es jeder dritte.
So finden sich Studienabbrecher auch vermehrt unter den Bewerbern der suki.international GmbH in Landscheid, Systemlieferant unter anderem von Werkzeug, Kleineisenwaren und Holzverbindern. „Viele haben ein Studium begonnen, ohne zu wissen, wo sie beruflich hinwollen – und jetzt ist es ihnen zu theoretisch“, sagt Ausbilderin Julia Porco-Wittkowski. Da sie etwas älter seien, brächten sie mehr Reife mit als frischgebackene Schulabgänger. Sie sollten im Bewerbungsgespräch aber auch schlüssig erklären können, warum sie ihr Studium abbrechen. Per se seien sie also noch nicht die besseren Bewerber: „Wir müssen überzeugt sein und dürfen kein Bauchweh bei der Entscheidung haben.“
KOOPERATIONSVERTRAG UNTERZEICHNET
In Trier haben sich die IHK und die Handwerkskammer mit der Agentur für Arbeit, der Universität und der Hochschule zusammengetan, um Studienabbrechern neue Perspektiven zu geben. Das ideale Ziel: eine Berufsorientierung, die sie nach ihren Fähigkeiten und Interessen gleich in die richtige Bahn leitet – also entweder Studium oder Berufsausbildung. Wer aber Probleme im Studium hat, dem soll frühzeitig geholfen werden, damit er seinen Abschluss schafft. Andernfalls muss das Signal lauten: nicht verzagen, sondern neu durchstarten! Welche spannenden Ausbildungsstellen mit guten Karrierechancen es gibt, soll ihnen künftig besser aufgezeigt und mit mehr Unterstützung sowie individuellen Lösungen gekoppelt werden. Ob und wie sich der Akademisierungstrend stoppen lässt, ist zudem das Thema eines IHK-/HWK-Wirtschaftsforums am 13. April.
Aktuell zeigt sich: „Wer sein Studium früh abbricht, scheint häufig in Metall- und Elektroberufen Fuß zu fassen“, sagt Reuter. Ein Hinweis darauf, dass es sich hierbei vor allem um junge Leute handeln könnte, die sich in einem technischen Studium versucht hatten. Etwas ältere Ausbildungsbeginner finden sich vor allem häufig in kaufmännischen Berufen, in der Gastronomie oder im Hotelfach. „Hier liegt die Vermutung nahe, dass Viele sich für die Branche entscheiden, in der sie neben dem Studium gejobbt und so erste Arbeitserfahrungen gesammelt haben“, sagt Reuter. Viele Studienabbrecher fänden sich auch unter den Fachinformatikern. In dieser Branche suchten Firmen hier und da sogar gezielt nach jungen Leuten, die sich umorientieren.
GRÖSSTES PLUS IM LANDKREIS BERNKASTEL-WITTLICH
Denn für Unternehmen bieten Studienabbrecher eine große Chance, bestätigt Bilstein & Siekermann-Geschäftsführer Hirtz. „Deshalb muss die Wirtschaft ihnen intensiv Angebote machen.“ Gerade in gewerblich-technischen Berufen fällt die Suche nach Firmennachwuchs schwer. Um zwei Prozent ist 2014 die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in der Metall- und Elektrotechnik gesunken. In den kaufmännischen Berufen dagegen erhöhte der Handel die Zahl neuer Verträge leicht. Selbst der Hotel- und Gaststättenbereich fuhr dieses Mal ein Plus ein, ebenso wie das Verkehrs- und Transportgewerbe. Regional betrachtet, hatten 2014 vor allem der Vulkaneifelkreis (minus 7,7 Prozent) und der Eifelkreis Bitburg-Prüm (minus 5,6 Prozent) Probleme. Gut haben sich die Ausbildungszahlen in Trier (plus 4,9 Prozent) und dem Kreis Bernkastel-Wittlich (plus 7,8 Prozent) entwickelt.
Um die Probleme, Jugendliche für gewerblich-technische Berufe zu gewinnen, weiß auch die suki.international GmbH. In ihrem Briefkasten landen wesentlich mehr Bewerbungen um kaufmännische Berufe. Besonders schwierig sei es aktuell, einen angehenden Elektroniker für Betriebstechnik und einen Fachinformatiker Anwendungsentwicklung zu finden, berichtet Porco-Wittkowski, die derzeit 21 Azubis betreut. Bei Bilstein & Siekermann sind vor allem Stanz- und Umformmechaniker, Werkzeugmechaniker und Zerspanungsmechaniker gefragt. Da sich das Unternehmen auf die Kaltmassivumformung spezialisiert hat – kein gängiges Verfahren –, sind sie eben besonders auf jene Fachleute angewiesen, die sie idealerweise selbst ausgebildet haben.
DUALES STUDIUM ALS ANREIZ
Um für leistungsstarke Bewerber attraktiver zu sein, wollen beide Unternehmen künftig ein duales Studium anbieten. Bei Bilstein & Siekermann geht hier eine duale Ausbildung zum Stanz- und Umformmechaniker mit einem Bachelorstudium der Produktionstechnik einher. Suki blickt dabei vor allem auf die Besetzung von Führungspositionen, die in den nächsten Jahren frei werden, weil Mitarbeiter in Ruhestand gehen. Allerdings betont Personalchef Bernhard Ensch: „Ob jemand aufsteigt, hängt nicht zwingend von einem Studium ab. Vom Azubi bis ganz nach oben – das geht!“ Dafür gebe es zahlreiche Beispiele im Unternehmen. Gefördert werde dies unter anderem über einen stringenten Ausbildungsplan, zusätzliche interne Schulungen, frühzeitige Gespräche zum weiteren Einsatz im Unternehmen und Unterstützung bei der Weiterbildung.
Selbst die Schulnoten sind für Bilstein & Siekermann im Bewerbungsprozess nicht entscheidend, sondern die Ergebnisse des Einstellungstests. Schon so mancher schlechter Schüler hat hier überzeugt – und inzwischen seine Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen. Naturwissenschaftliche Begabung, Begeisterung für Technik: „Wer das nicht mitbringt, hat bei uns auf Kurz oder Lang Probleme“, erklärt Hirtz. Das erklärt den hohen Anspruch und die guten Aussichten von Anfang an. „Wir haben in den vergangenen Jahren alle Azubis im gewerblichen Bereich übernommen.“ Wer die Karriereleiter weiter aufsteigen will, wird unterstützt. Aber auch jene, die Probleme in der Ausbildung haben – beispielsweise mit ausbildungsbegleitenden Hilfen.
Schwächere Bewerber können sich zudem in zweijährigen Ausbildungsberufen beweisen, bei suki beispielsweise als angehender Fachlagerist. Wer sich positiv entwickelt und einen guten Abschluss macht, darf dann das dritte Jahr zur Fachkraft für Lagerlogistik anschließen. So mancher ist dort auch über einen Job als ungelernte Kraft zur Ausbildungsstelle gelangt.
HOHE ANSPRÜCHE
Doch nicht jeder Schulabgänger schätzt seine Lage realistisch ein. „Überall hören die jungen Leute, auf dem Arbeitsmarkt stünden ihnen alle Möglichkeiten offen. Deshalb erwarten sie, dass die Unternehmen sich um sie bemühen“, sagt suki-Personalleiter Ensch. Diese hohe Anspruchshaltung sei aber oft nicht gedeckt von ihren eigenen Kompetenzen. „In Wirklichkeit ist nur das obere Drittel der Schulabgänger heiß begehrt.“
Um sie zu gewinnen, müssen die Unternehmen Präsenz und Kante zeigen. Als die Bewerberzahlen bei Bilstein & Siekermann zurückgingen, hat sich der Betrieb mit Aktionen wie dem Tag der Technik oder einem Tag der offenen Tür stärker dem Umfeld geöffnet und die Nähe zu Schulen gesucht. „Nur so können wir den jungen Leuten überhaupt zeigen, welche Möglichkeiten sie bei uns haben“, sagt Geschäftsführer Hirtz.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Ausbildungsmessen „Dein Tag, Deine Chance – Ausbildung jetzt!“ von IHK, HWK, Agentur für Arbeit und dem Medienhaus Trierischer Volksfreund. Die nächste Chance, sich potenziellen Azubis vorstellen, haben Unternehmen am Sonntag, 22. März 2015, von 14:00 bis 17:00 Uhr im Wittlicher Cusanus Gymnasium. Außerdem erhalten sie bald Unterstützung vom neuen Passgenauen Ausbildungsplatzvermittler der IHK Trier.
Messen, Marketing, Praktika, Girls‘ Day: Es lohnt. „Seitdem wir dieses Marketing betreiben, sind die Bewerberzahlen deutlich gestiegen“, sagt Hirtz. Auch der Einzugsbereich hat sich etwas vergrößert, beispielsweise bis in den Raum Trier und Ahrweiler. Die Eifel liegt manchmal eben doch näher, als man denkt.