Kulturschaffende aus Stadt und Land beraten am runden Tisch und tragen ihr Scherflein zum Programm bei; Unternehmer beschäftigen sich mit dem Thema „Kultur und Tourismus als Standortfaktor“; in Trier „steigen“ Bauarbeiter dem Städtischen Museum Simeonstift „aufs Dach“; an allen Ecken und Enden wird gewerkelt, gehämmert und gebohrt; Politiker nehmen zur Stärkung der Kultur viel Geld in die Hand. Kurzum: In der Region Trier ist Aufbruchstimmung spürbar. Nur wenige Worte waren nötig, diese Initialzündung auszulösen: „Europäische Kulturhauptstadt 2007 – Luxemburg und die Großregion“.
Denn 2007 erreicht das Konzept „Kulturhauptstadt Europas“ eine völlig neue Dimension. Es steht nicht nur eine Stadt im Blickpunkt, Luxemburg wurde gemeinsam mit dem rumänischen Sibiu (Hermannstadt) auf den Schild gehoben. Doch damit nicht genug: Zusätzlich wurde die gesamte Großregion auserkoren, ein Jahr lang zeigen zu dürfen, was sie kulturell zu bieten hat. Gemeinsam mit Luxemburg und Hermannstadt präsentieren Lothringen, das Saarland, Wallonien und Rheinland-Pfalz kulturelle Vielfalt und kreatives Potenzial. Die Ausweitung wurde den Luxemburgern nicht von außen „aufgedrückt“, sondern entspringt dem Vorschlag von Premierminister Jean-Claude Juncker, die Veranstaltungen nicht auf das Großherzogtum zu beschränken.
VÖLKERVERSTÄNDIGUNG VIA KULTUR
Eine in der Tat nahe liegende Idee, schließlich sollen nicht einfach „nur“ Kulturhauptstädte auserkoren werden, vielmehr geht es stets darum, einen Beitrag zur Annäherung der Völker Europas zu leisten. Mit einem vernetzten Kulturprogramm, vielen kleinen und großen Highlights wollen die Organisatoren – allen voran Koordinator Robert Garcia – die „Kreativität und die Energie der Großregion widerspiegeln.“ Getreu des Mottos: „Gemeinsam Grenzen überschreiten – geographisch und kulturell, im Handeln und im Denken.“ Ein Ansatz, der so ganz nach dem Geschmack der Initiative Region Trier (IRT) ist. Die Kulturhauptstadt biete die Chance, „uns besonders werthaltig mit unserem wichtigen Kern-Thema Römer in dem modernen Rahmen der Kulturhauptstadt Europas präsentieren zu können.“ So formuliert es IRT-Vorsitzender Dr. Richard Groß. Die Kulturhauptstadt fungiere als „Katalysator für die In-Wert-Setzung“ des kulturellen Potenzials.
Die IRT habe dazu bereits früh die Gesprächsfäden in der Region Trier aufgenommen und aktiv mitgewirkt, „dass regionale Projekte von den Akteuren entwickelt und zum Programm angemeldet worden sind.“
KLUGE KÖPFE SCHÄTZEN KULTUR
Kultur als eines der Kernpotenziale der Region Trier? Unbedingt, findet der IRT-Vorsitzende. „Die Region Trier zeichnet sich durch eine besonders hohe Breite von Themen und die Dichte der Angebote aus. Hinzu kommt eine wertvolle Authentizität und Wertigkeit durch die herausgehobene Rolle der Region Trier in der Geschichte – von der Antike bis in die Neuzeit“, befindet Groß. Wo andere Regionen völlig neue Produkte wie Festivals entwickeln müssten, um kulturell überhaupt eine Rolle zu spielen, verfüge die Region Trier über ein natürliches Potenzial.
Doch er geht noch einen Schritt weiter und stellt die Bedeutung der Kultur für die Wirtschaft heraus. Aus Sicht der Initiative Region Trier findet der Wettbewerb der Regionen insbesondere als Wettbewerb um die Gewinnung kluger Köpfe, tüchtiger Unternehmer und Mitarbeiter statt. „Daraus entsteht in Deutschland ein erheblicher Anteil der Produktivität“, so Groß. „Gute Leute zu halten und zu gewinnen, verlangt ein attraktives Lebensumfeld. Dabei kommt es auf viele Standortfaktoren an, ganz besonders auf das Kulturangebot.“ Laut IRT-Chef Groß machten bereits heute 40 Prozent der Manager die Entscheidung für das berufliche Engagement in einer Region von deren kulturellem Angebot abhängig.
UNTERNEHMERISCHE AUFGABE
Das sieht auch der Ausschuss für Innovation und Regionalentwicklung der IHK Trier so.
„Weiche infrastrukturelle Faktoren“ wie eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft oder ein attraktives Kultur-Angebot würden für Unternehmen und ihre Mitarbeiter zunehmend an Bedeutung gewinnen, hieß es in der jüngsten Sitzung. „Kulturelle Events leisten einen großen regionalen Wertschöpfungsbeitrag“, befindet IHK-Vollversammlungsmitglied Ronald Frank von der Medienfabrik Trier. Er mahnt jedoch an, dass im Geschäfts- und Tagungstourismus große Chancen ungenutzt bleiben. „Kultur bleibt viel zu oft mit kleiner Keimzelle unter der Glasglocke“, sagt er. Die Förderung des Wirtschaftsfaktors Kultur müsse stärker als unternehmerische Aufgabe im Sinne der Umsetzung eines Geschäftsmodells verstanden werden. Denn: „Wir bringen Umsätze, wir bringen Erträge.“ Um zu erfahren, wie groß der Wirtschaftsfaktor tatsächlich ist, werde man im Sommer eine Wertschöpfungsanalyse in Angriff nehmen. „Wir benötigen Fakten, um mit Politikern und Unternehmen zu sprechen. Wir sprechen im Bereich der Kultur immer von weichen Standortfaktoren. Wenn man aber bedenkt, dass allein im touristischen Bereich ein Potenzial liegt von 35 000 Vollzeitarbeitsplätzen, die geschaffen werden können, dann sind das harte Faktoren“, sagt Frank.
Es müsse in die Köpfe, dass Kultur nicht nur eine politische, sondern gleichermaßen unternehmerische Aufgabe ist. Frank: „Nicht Mäzenatentum, sondern Kultur als Wirtschaftszweig.“ In der Region gebe es viele Top-Veranstaltungen, die jedoch mit bescheidenen Mitteln wirtschaften müssten. Für die „Leuchttürme, und nur die“ müsse es einen finanziellen Stock geben, der diese Veranstalter ermächtige, wirtschaftlich erfolgreich zu handeln und überregionales Marketing zu finanzieren. Wenn man versuche, allen gerecht zu werden, bleibe man am Ende charakterlos. „Es war ein geschickter Schachzug von Premier Juncker, über die Kultur die Großregion neu zu definieren“, befindet Frank. Denn „wir müssen groß denken, um aus der Kultur und dem Tourismus einen Wirtschaftsfaktor zu machen und den Standort national und international zu positionieren.“
INVESTITIONEN WIRKEN NACHHALTIG
Bislang sind 353 Projekte anerkannt und mit dem blauen Hirsch, dem Label der Kulturhauptstadt, ausgezeichnet worden. Allein 36 Beiträge werden unter maßgeblicher Beteiligung der Stadt Trier realisiert. Bei weiteren grenzüberschreitenden Projekten ist Trier als Partner mit im Boot.
Dass die Stadt Trier nachhaltig von der Kulturhauptstadt profitieren wird, davon ist Triers Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch felsenfest überzeugt. „Ob nun eine neue Bushaltestelle oder der Parkplatz am Simeonstift – es sind Investitionen von 20 Millionen Euro freigetreten worden. Es wird etwas geschaffen.“ Nicht umsonst sei der Kulturtourismus Schwerpunkt der „Visionsbausteine“ mit Blick auf die Zukunft. Die Kulturhauptstadt bringe einen Zuzug von Touristen, Trier gerate international in den Blickpunkt, eine kleine, feine Besucherschar komme auch aus Übersee, die „wir mit Hilfe einer Anzeigenkampagne nicht erreichen könnten“. Auch das wirke nachhaltig, viele dieser Touristen würden wiederkommen, belebten Einzelhandel, Hotellerie und Gastronomie zusätzlich. Doch nicht nur die Stadt putze sich heraus, ebenso alle Museen. Die Infrastruktur herstellen, das wiederum bringe Aufträge in die Region und sichere Arbeitsplätze. „Immer mehr Unternehmen begreifen es als einmalige Chance, in die Kultur zu investieren“, so Horsch. Vergessen dürfe man nicht, dass in punkto Investitionen für das Städtische Museum Simeonstift das Land der Stadt ein „großes Geschenk“ macht. Eine gute Infrastruktur im kulturellen Bereich sei ein harter Standortfaktor, „was man daraus macht, das ist dann ein weicher. Da müssen wir uns immer wieder viel einfallen lassen, denn die Gäste wollen eine lebende Kultur, sie wollen bei Events unterhalten werden, sie wollen den guten Wein trinken, sie wollen Erlebnisführungen. Kultur zum Anfassen, Hören, Riechen und Schmecken.“
KONSTANTIN KEHRT ZURÜCK
Chancen, Kultur als Standortfaktor zu nutzen, bieten sich 2007 in Hülle und Fülle. Allein die Ausstellungen in der Stadt Trier, die sich mit Konstantin dem Großen beschäftigen, werden dafür sorgen, dass Trier für einige Monate im In- und Ausland der Nabel der Welt ist. Denn Konstantin kehrt 1 700 Jahre nach seinem Tod zurück in die Stadt, die als römische Kaiserresidenz diente. Zum Beispiel wird der Kopf der einst zwölf Meter hohen Kolossalstatue des Kaisers gezeigt, es ist eine Eins-zu-Eins-Nachbildung des weltberühmten Kolossalportraits aus den Kapitolinischen Museen in Rom. „Die bekannten Fragmente – Kopf, Hand, Fuß – nach Trier zu bringen, ging nicht: Sie sind einfach zu schwer. Allein der Kopf Konstantins wiegt sechs Tonnen“, erzählt Mirjam Flender, Pressereferentin der Konstantin-Ausstellungsgesellschaft. In Trier wurde Konstantin zum Kaiser ernannt, in Trier heiratete er. Alles was mit dem bekannten römischen Kaiser zu tun hat, gilt als Beitrag des Landes Rheinland-Pfalz zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007. Insgesamt beteiligt sich das Land unter der Überschrift „Große europäische Persönlichkeiten“. Und da darf Konstantin nicht fehlen. Gemeinsam mit dem Bistum Trier und der Stadt Trier geht es gleich an drei Standorten – dem Rheinischen Landesmuseum Trier, dem Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum und dem Städtischen Museum Simeonstift – um das kolossale Erbe Konstantins. Die ehemalige Kaiserresidenz Trier ist dann auch Herzstück der „Straße der Römer“. Ab 2007 wird sie als kulturtouristisches Straßennetzwerk grenzüberschreitend etwa hundert Sehenswürdigkeiten zu einem interessanten „Archäologiepark“ verbinden. Auf der „Straße der Römer“ wird die Großregion mit ihren Reizen nicht geizen und den Gästen den Besuch keltischer und römischer Relikte, den Trip zu Schlössern und Burgen schmackhaft machen.
DESTINATION TRIER DER MESSEHIT
Dass Konstantin & Co. Magnetwirkung haben werden, kristallisiert sich bereits jetzt heraus. Andrea Weber vom Hotel „Deutscher Hof“ in Trier war Mitte Mai auf der Messe „Germany Travel Mart“ – einer wichtigen Verkaufsveranstaltung für den Tourismus – und erzählt: „Das ist extrem gut angekommen, die Resonanz auf die Projekte in Trier und der Region war toll, alle sind begeistert“. Sie erhofft sich viel vom Jahr 2007: „Seit der Terminierung haben wir die Thematik Kulturhauptstadt in unsere Marketing-Strategie aufgenommen.“ Wein und Römer – dieser Schwerpunkt lasse sich nun einmal in Verbindung mit Highlights, mit Events besser verkaufen. Einziger Wermutstropfen für die Hotellerie sei die Terminierung zum Beispiel der Konstantin-Ausstellung: „Da ist ohnehin Hochsaison, und voller als voll geht in keinem Hotel.“ Dennoch sei es „eine wunderbare Sache“, die Destination werde gepuscht, das Image der Stadt verbessere sich. Andrea Webers Hoffnung liegt darin, dass die Events zur Kulturhauptstadt keine „Eintagsfliegen“ bleiben. Schließlich habe man zum Beispiel in Museen zusätzliche Flächen geschaffen, deshalb gelte es, über weitere Konzepte für die Zukunft nachzudenken, dieses Potenzial zu nutzen. Andrea Weber: „Es genügt nicht, ein tolles Produkt zu haben, es muss ständig weiterentwickelt werden.“ Zukunftsträchtig sei auch das Projekt „Straße der Römer“: „Wir haben ja nun einmal Hochkarätiges in der Region. Das alles hat schon Charme.“
Ingrid Fusenig