Sprungmarken zu den wichtigsten Seitenabschnitten


Hauptinhalt Servicelinks


IHK Trier


Seitenkopf

Seitenhauptinhalt

01.02.2007

Abmahnmissbrauch hat Hochkonjunktur


Dieser Text ist vom 01.02.2007 und könnte inhaltlich veraltet sein.

IHKs hilft Wettbewerbsstreitigkeiten beizulegen

Die Welle unzulässiger Abmahnungen hat in den letzten Monaten Rekordhöhe erreicht. Ob Serienabmahnungen von Rechtsanwälten in Zusammenarbeit mit angeblichen Mitbewerbern, ob branchengleiche Firmen oder dubiose Wettbewerbsschutzvereine, allen Initiativen war die massenhafte Versendung von Abmahnschreiben mit dem Ziel, durch unlautere Mittel schnell „Kasse zu machen“, gemein. Besonders dreist war das Vorgehen eines erst unmittelbar vor der ersten Abmahnwelle in der Schweiz konstituierten Vereins unter der geradezu satirisch anmutenden Bezeichnung „Ehrlich währt am längsten“. Ohne ernsthaft das Ziel lauteren Wettbewerbs zu verfolgen und ohne die Absicht und die Mittel, hierzu notwendige Musterprozesse zu führen, kämmte man systematisch die Internetauftritte unterschiedlichster Firmen nach Verstößen gegen internetrechtliche Bestimmungen durch, die mit der Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und eines pauschalen Kostenersatzes abgemahnt wurden. Bei der gegebenen Situation bestanden erhebliche Zweifel an der rechtlich notwendigen Mitgliederstruktur des Vereins für den abgemahnten Branchenmix und der vorhandenen Abmahnbefugnis. Dennoch ließ der Verein weitere Abmahnungen folgen, erinnerte nicht reagierende Unternehmen rüde an ihre Zahlungsverpflichtung und erwirkte gar in einem Fall eine einstweilige Verfügung bei Gericht, die bei geltend gemachten Zweifeln als Beleg für die gerichtlich anerkannte Abmahnbefugnis zitiert wurde. Wie in eigens gebildeten Internetforen Betroffener zu lesen war, schätzte man bereits nach wenigen Wochen Einnahmen von mehreren hunderttausend Euro.

REAKTION DER IHK
Die rasche Aufklärung und das intensive Engagement der Industrie- und Handelskammern und des DSW (Deutscher Schutzverband zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität) gleich an mehreren Brandherden der Abmahnfront verhinderte nicht nur die voreilige Abgabe der Unterlassungserklärung vieler Unternehmen sowie die Zahlung, sondern führte auch zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen wegen Betrugs durch die Staatsanwaltschaft sowie einer einstweiligen Verfügung des LG Oldenburg, wonach dem Verein weitere Abmahnungen untersagt wurden.

ABMAHNUNG IST EIN PROBATES INSTRUMENT
Dabei ist die strafbewehrte Abmahnung - soweit keine missbräuchliche Verwendung erfolgt - durchaus ein gutes und geeignetes Mittel zur außergerichtlichen gütlichen Abwendung eines Wettbewerbsverstoßes beziehungsweise dessen Wiederholung. Statt eines kostenintensiven einstweiligen Verfügungsverfahrens vor Gericht oder einer Wettbewerbsklage können Mitbewerber, Kammern, entsprechende Vereine, Verbände oder Verbraucherinstitutionen außergerichtlich eine schnelle Lösung herbeiführen, indem der unlauter Werbende in einer schriftlichen Erklärung den Verzicht auf Fortsetzung der inkriminierten Werbung erklärt und sich für den Fall eines weiteren Verstoßes einer Vertragsstrafe unterwirft. Dafür erhält der Abmahnende die Erstattung der ihm hierdurch entstandenen Kosten (bei Vereinen einer geringeren Kostenpauschale).

ABMAHNBEFUGNIS NUR BEI BESTIMMTEN VORAUSSETZUNGEN
Für das Unternehmen, das eine Abmahnung erhält, ist es nicht ohne weiteres erkennbar, ob es sich tatsächlich um einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß oder gegebenenfalls um eine insoweit nicht relevante Bagatellmaßnahme handelt, ob die vorgegebene Unterlassungserklärung ordnungsgemäß und nicht zu weitgehend gefasst ist, ob der Abmahnende seriös und auch die Abmahnbefugnis gegeben ist oder zweifelhaft erscheint. In diesen Fällen sollte unbedingt die Industrie- und Handelskammer beziehungsweise der Interessenverband befragt oder der Rat eines Anwalts eingeholt werden. Keinesfalls sollte die Abmahnung unter Verstreichen der Frist ignoriert werden, es kann dann zum einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht mit erheblicher Kostenbelastung führen. In Fällen, in denen ein Wettbewerbsverstoß zweifelhaft ist, kann der Abgemahnte auch die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer anrufen. Sie hat die Möglichkeit, Wettbewerbsstreitigkeiten kostengünstig beizulegen. Um dabei allerdings der Gefahr einer einstweiligen Verfügung zu entgehen, sollte er zumindest eine vorläufige Unterlassungserklärung abgeben, die bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens gültig ist.

Gar zu schnell wird als Reaktion auf derartige Missbräuche häufig die Streichung des Kostenersatzes gefordert, womit das wirtschaftliche Interesse dieser Initiativen erloschen wäre. Damit würde man aber auch die wichtigen Wettbewerbseinrichtungen und Verbände treffen, die sich seit Jahren für faire Wettbewerbsverhältnisse einsetzen, Rechtsfortbildung betreiben, Kosten für Musterprozesse zu Gunsten ihrer Mitgliedsunternehmen oder aller Marktteilnehmer aufwenden und so weiter und deren Kostenbelastung weiter erhöhen.

Sinnvoller erscheint es, die Anforderungen an die Abmahnbefugnis und die Offenlegungspflichten zu erhöhen.
Rolf Ersfeld, ersfeld@trier.ihk.de

Praxistipps

Was muss bei einer Abmahnung beachtet werden?
  1. Die Abmahnung keinesfalls ignorieren; sonst droht der Erlass einer kostenträchtigen einstweiligen Verfügung.
  2. Prüfen, ob die beanstandete Werbegestaltung überhaupt verwendet wurde.
  3. Innerhalb der gesetzten Frist bei IHK, Interessenverband oder Rechtanwalt abklären lassen:
    a) Liegt eine Abmahnbefugnis vor?
    b) Ist ein Wettbewerbsverstoß tatsächlich gegeben?
    c) Ist die Unterlassungserklärung zutreffend formuliert?
    d) Sind geforderte Vertragsstrafe, Aufwendungsersatz
        und bezifferter Streitwert adäquat?

Seitenfuß