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01.11.2022

Investieren statt bremsen


Dieser Text ist vom 01.11.2022 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Investitionen tätigen trotz schwieriger Zeiten

„Deutsche Wirtschaft im Krisenmodus“. „Pessimismus der Firmen wächst“. „Teure Energie zwingt Deutschlands Industrie in die Knie“. Es sind Schlagzeilen wie diese, die seit Wochen in der Presse zu lesen sind. Und über allem schwebt das Damoklesschwert der Rezession. Ist es dennoch ratsam für Unternehmer, zu investieren?
Einer, der davon zu einhundert Prozent überzeugt ist und an einer vor eineinhalb Jahren beschlossenen, sechs Millionen Euro teuren Investition festhält, ist Familienunternehmer Matthias Kuhl. Vor 22 Jahren hat der heute 64-Jährige im Gründerzentrum in Wiesbaum (Landkreis Vulkaneifel) seine Unternehmung Premosys GmbH gestartet. Dahinter verbirgt sich die Entwicklung und Produktion optoelektronischer Systeme zur industriellen Farberkennung und -messung. Kunden finden sich unter anderem in der Lebensmittel- und der Automobilindustrie sowie in der Medizintechnik.
Wegen „horrender „Energiekosten“, so Kuhl, hat er den Firmensitz im Gründerzentrum aufgegeben und in seiner Heimat Kalenborn-Scheuern (ebenfalls Landkreis Vulkaneifel) einen hocheffizienten KfW-55-Neubau errichten lassen und 2017 bezogen. Anfang September 2022 war Richtfest für den zweiten, in der damaligen Planung bereits vorgesehenen Bauabschnitt. Auf rund 2900 Quadratmetern wird ein weiteres KfW-55-Gebäude an das bestehende Technologiezentrum angedockt. „Hier werden wir die Produktion und den Vertrieb unterbringen.“
5,6 Millionen Euro seien als Festpreis veranschlagt gewesen. Wegen nachträglicher Optimierungen liege man derzeit bei knapp sechs Millionen Euro. Über das EFRE-Förderprogramm – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – fließen laut Kuhl als einzige Unterstützung circa eine Millionen Euro.

Diversität ist wichtig

Auf die Frage, ob er angesichts der krisengeschüttelten Zeit und explodierender Kosten zwischendurch erwogen habe, von der Investition Abstand zu nehmen, antwortet er umgehend: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt an dieser Entscheidung gezweifelt.“ Im Gegenteil ist er der Überzeugung, „dass man antizyklisch agieren sollte. Investieren in der Krise, um besser aus ihr herauszukommen“.
Diese Haltung vertrete er umso mehr, als mit seinem Sohn und seiner Tochter, die 2015 beziehungsweise 2022 ins Unternehmen eingetreten sind, der Fortbestand von Premosys gesichert und langfristige Perspektiven erforderlich seien.
Voraussetzung für eine solche Investition ist nach seiner Einschätzung, „dass es ein solides Unternehmen ist, das nicht wirtschaftlich wankt“. Einen größeren Umsatzeinbruch müsse es verkraften können. Diversität sei wichtig. „Wir machen mit keinem Kunden mehr als 15 bis 18 Prozent Umsatz.“ Zudem müsse die Strategie stimmen. „Man muss sich über den potenziellen Markt der Zukunft klar sein und eine klare Vision haben, wohin man will.“
Die Finanzierung des Neubaus stemmt Kuhl mit seiner Hausbank. „Ich habe lange und intensiv daran gearbeitet, dass das Rating in eine Liga kommt, die es mir ermöglicht, das Unternehmen zu entwickeln.“ Seit 2016 steuere er die Finanzplanung so, „dass wir unsere Konten im Plus halten. Es gibt bei uns seither keinen Dispo mehr.“

Klares Geschäftsmodell als Voraussetzung

Das sieht nach der Erfahrung von Peter Michels, Vorstandsmitglied der Volksbank Trier eG, bei vielen Unternehmen der Region derzeit anders aus. „Seit Ausbruch des Ukrainekriegs beobachten wir deutlich, dass freie Kontokorrentlinien verstärkt beansprucht werden.“ Außer Frage stehe indes, dass ein Unternehmen damit ausschließlich seinen kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, nicht hingegen Investitionen finanzieren solle. „Andernfalls würde man sich jeglichen Spielraum nehmen, zwischenzeitliche Engpässe abzufedern.“
In schwierigen Zeiten sei es extrem wichtig, als Finanzinstitut in sehr engem Kontakt mit den Unternehmen zu stehen. „In unseren Strategiegesprächen legen wir großen Wert darauf, eine Prognose zu skizzieren.“ Grundsätzlich gehe Liquidität vor Rentabilität. Investitionswilligen Unternehmern legt Michels nahe, sich „mit den Entscheidungen auf die Zielsetzung zu fokussieren und diese nicht von kurzfristigen Preisentwicklungen gänzlich abhängig zu machen“. „Wir fragen, was die Erfolgsfaktoren der Zukunft sein werden, wie die Markteinschätzung ist. Voraussetzung für eine größere Investition sollte ein klares Geschäftsmodell sein, das belastbar und verteidigungsfähig ist.“
Die aktuelle Zinssituation sollte nach Michels Einschätzung Unternehmer nicht „von sinnvollen Investitionen“ abhalten. Zumal er Licht am Ende des Tunnels sieht: „Hohe Zinsen und Rezession sind wie Feuer und Wasser.“
„Ich erlebe die regionalen Unternehmer als sehr besonnen. Sie reagieren gut auf die Krisen, auch wenn ihre Stirn immer krauser wird“, beschreibt Silvia Menzel, stellvertretendes Vorstandsmitglied und Vertriebsleiterin Firmenkundengeschäft bei der Sparkasse Trier. Tatsächlich investierten viele derzeit vorrangig in Ersatz, etwa in Fahrzeuge, Maschinen. Die Frage, wie hoch die Abhängigkeit vom Faktor Energie ist, spiele eine große Rolle. Energie sei das treibende Thema. Für umso wichtiger hält auch Menzel „eine vernünftige Planung der Rentabilität und Liquidität “.
Seit März gehe die Sparkasse verstärkt auf ihre Kunden zu, forciere den Austausch vor allem auch mit energieintensiven Betrieben. „Das Wichtigste ist, sich über das Thema Effizienz Gedanken zu machen. Gemeinsam zu schauen, wo eventuell weiteres Einsparungspotenzial liegt.“ Dabei dürfe die grundsätzliche Ausrichtung nicht aus dem Blick verloren gehen. „Unternehmer sind im Moment natürlich damit beschäftigt, zu reagieren. Trotzdem sollten sie die Kraft suchen, strategisch auf ihr Geschäft zu schauen, das Ganze als Chance zu sehen, sich mit dem Geschäftsmodell auseinanderzusetzen.“

Zuschüsse und Förderkredite interessant
Ein hilfreicher Partner in schwierigen Zeiten ist manchem auch die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB). „Nach meiner Erfahrung nutzen die Wenigsten den jetzigen Zeitpunkt für größere Investitionen. Wir merken einen Anstieg bei den Kreditanfragen für kurzfristige Liquiditätssicherung. Das spiegelt sich auch auf Antragsseite wider“, sagt Andreas Schwarz, ISB-Kundenbetreuer Wirtschaftsförderung in Mainz. Er ermuntert Unternehmer, sich zu Unterstützungsmöglichkeiten beraten zu lassen. „Im Zuschussbereich ist gerade unglaublich viel in Bewegung.“ Die sogenannten verlorenen Zuschüsse, die für bestimmte Vorhaben wie etwa Digitalisierung oder Umweltthemen gewährt und nicht zurückbezahlt werden müssen, seien vielen spätestens seit den Coronahilfen bekannt. Neben Zuschüssen könne auch das Thema Förderkredit interessant sein. „Die ISB hat hervorragende Refinanzierungsoptionen und Möglichkeiten, Zinssubventionen abzurufen. Deshalb ist die Finanzierung mit einem Förderkredit von uns in der Regel günstiger, als wenn man uns nicht einbindet.“
Auch die Risiko-Partnerschaft lohne eine nähere Betrachtung. Dabei stellt die ISB nicht allein die Mittel zur Verfügung, sondern übernimmt auch einen Teil des Haftungs-Risikos gegenüber der Hausbank. Ein noch „größeres Geschütz“ sieht Schwarz in der Bürgschaft, bei der die ISB oder die Bürgschaftsbank Rheinland-Pfalz zusätzliche Kreditsicherheiten stellen kann.
Für alle Instrumente gelte: „Das Unternehmen sollte sich frühzeitig bei der ISB informieren, welche Voraussetzungen und Nachweispflichten damit verbunden sind, und sich bei Investitionen einen genauen Überblick verschaffen, was an tatsächlichen Kosten anfällt. Bereits begonnene Vorhaben können nicht mehr gefördert werden.“

Liquidität ist das A und O
Frank Peuckmann, Vorstand des Trierer Beratungsunternehmens MENTOR AG, findet zum Stichwort Investitionen klare Worte: „Investitionen sind das, was die Unternehmer derzeit am wenigsten umtreibt. Die meisten haben die Sorge, durch den Winter zu kommen. Der Weg zu größeren Investitionen ist vielen verschlossen.“
Er spricht von „Zwangsinvestitionen“ vor allem, was die Lager vieler Betriebe betrifft. „Wegen der Lieferkettenprobleme mussten sich produzierende Firmen bevorraten, das bindet deutlich mehr Kapital. Und bei hoher Kapitalbindung im Lager verschlechtert sich das Rating bei den Banken.“
Gleichzeitig steige wegen anhaltender Materialknappheit bei vielen produzierenden Unternehmen der Anteil unfertiger Arbeiten. „So steht dann Umsatz aus, und viele laufen völlig unverschuldet in die Liquiditätsfalle.“
Er empfiehlt Unternehmen, „alles auf den Prüfstand zu stellen“. Beispielsweise zu schauen, ob Bereiche ausgelagert und die entsprechende Leistung zugekauft werden kann, um die Fixkosten variabel zu halten. Zudem gehe es darum, „Sondereffekte auszurechnen, Zahlen auszulegen und zu adjustieren, um der Bank zu zeigen, was zu finanzieren ist“.
Für Peuckmann steht fest: „Das Energiethema wird eine andere Qualität haben als die Corona- oder die Finanzkrise. Das Allerwichtigste ist, dass die Politik sehr, sehr schnell und unbürokratisch reagiert. Sei es, dass man wie in Frankreich die Energiekosten fixiert oder über einen anderen Weg. Die Kombination aus Rohstoff- und Energiemisere ist ein Brandbeschleuniger.“
Das sieht Ralf Adams, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und einer der Partner der Trierer Kanzlei Dr. Widdau und Partner, genauso: „Man muss darauf drängen, dass eine Bremse für die Energiepreise kommt. Und die Förderung durch Zuschüsse muss vereinfacht werden. Denn das ist Geld, das direkt fließt.“
Die steuerrechtliche Seite sei liquiditätstechnisch schwierig: „Bis sich das monetär auswirkt, ist es teilweise für den Unternehmer bereits zu spät.“ Insofern sieht er den Weg vorrangig darin, „Unternehmer kurzfristig zu entlasten und den privaten Konsum zu fördern“.
Hinsichtlich geplanter Investitionen ist für Adams die Abschreibungssteuerung „ein ganz wichtiges Instrument“. So gelte beispielsweise für Informationstechnologie die volle Abschreibung. „Das kann man sofort geltend machen.“ Er verweist zudem auf die Investitions-Abzugsbeträge: „Bei Planung einer Investition kann ich ein Jahr vorher Kosten geltend machen.“ Nach seiner Ansicht sollte die Verluststeuerungsmöglichkeit erhöht werden. „Wenn Unternehmer Verluste schreiben, sollten sie diese geltend machen und sich gezielt in den Vorjahren gezahlte Steuern wiederholen können.“
Aus seiner Erfahrung heraus stellt Adams fest: „Viele müssen besser planen, ihr Liquiditätsmanagement verbessern. Das wird teilweise stiefmütterlich behandelt. Dabei ist Liquidität das A und O.“

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